als single zu leben hat schon unschlagbare vorteile. man kann machen was man will, wann man will und mit wem man will, wenn die wohnung ausschaut, als hätte eine bombe eingeschlagen, kümmerts keinen und nicht zuletzt die tatsache, dass man nicht täglich die stoppeln von den beinen rasieren muss, ist auch ganz praktisch. dennoch: irgendwie wäre ein bisschen zweisamkeit schon auch ganz nett. das problem (mit dem ich vermutlich nicht allein sein werd): wie, wenn nicht durch einen filmreifen zufall im supermarkt oder fitnessstudio, soll man jemanden kennenlernen, wenn sich der alltag zwischen bett und schreibtisch abspielt? hat man eine woche halbwegs unbeschadet überstanden, ist man nämlich meistens eigentlich froh, am wochenende seine ruhe zu haben und betätigt sich lieber an der frischen luft als sich durch bars zu stöckeln. und das dann auch mit leuten, die man schon ewig kennt.

irgendein schlauer kopf hat sich deswegen etwas ganz furchtbar praktisches einfallen lassen: dating apps. schließlich rennt heutzutage ja jeder mit dem smartphone herum und kann so immer und überall wahnsinnig gut aussehende, sympathische und vor allem genauso vereinsamt-verzweifelte menschen kennenlernen. nein: sie sich in sein leben wischen. klingt verlockend. und macht ja irgendwie auch jeder. also nix dabei oder?

lange war die vorstellung, mich so auf den markt zu stellen, für mich absurd. nennt mich altmodisch, aber irgendwie find ich das übliche bubfindetmädeltollundhautsicheinbisserlinszeug-procedere charmant. doch die monate zogen ins land und so ein bisschen entertainment in der hinsicht war dringend notwendig. und so hab ich meine abscheu gegen diese art von aufreissplattformen an einem öden couchtag über bord geworfen und mit ihr die angst, dort von irgendwelchen menschen gefunden zu werden, die mich kennen. die hilfreiche erklärung meiner freundin, dass die menschen, vor denen ich mich genieren würde, ja schließlich auch dort unterwegs sind, erschien mir logisch. und geh bitte, wir sind doch alle nur zum spass da registriert oder? jo kloa…..

nachdem mir nach einem kurzen blick lovoo zu gruselig war (schließlich listen die da die leicht psychopathisch aussehenden männer fast auf den meter genau auf), entschied ich mich für das gute, alte tinder. ratzfatz ein paar fotos hochgeladen und los gings. ich will der app auch gar nicht unterstellen, dass da nicht auch zwischendrin sympathisch wirkende, authentische männlein auftauchen. und sicher, jeder will interessant wirken, das ist ja irgendwie sinn der übung. doch nach einigen wischern (ich werde über meine kennenlernerfahrungen ein anderes mal berichten), fiel mir auf, dass man als frau die datewütigen kandidaten ziemlich simpel in die folgenden kategorien einteilen kann:

1.) der verwegene tausendsassa
egal, ob er sich grade mit einem bungeeseil von der brücke wirft, sich an irgendeiner kletterwand festklammert oder freudestrahlend als tandem aus dem flugzeug fällt – je mehr action, desto besser. dabei wirkt seine testosterongeladene urgewalt immer so aufgesetzt, dass es dann auch schon egal ist, dass das einzige foto, auf dem man sein gesicht richtig gut erkennen kann, das komplette gegenteil vom frauenbeschützenden naturbursch beweist. weswegen vermutlich ein weiteres gern in szene gesetztes „wildes“ hobby motorradfahren ist. mit voll verspiegeltem helm und ledermontur versteht sich.

2.) der facetuner
so sehr der tausendsassa mit seinem draufgängergemüt überzeugen will, so will der factuner dies mit seinem gesicht tun. facetune, eine art photoshop für arme, hilft ihm dabei. mittels dieser app kann man nämlich ohne grafik-vorwissen oder fotografisches talent sein gesicht sagen wir mal bearbeiten. leider übertreibens viele ein bisserl. und so verschwinden nicht nur pickel oder falten, sondern gleich komplette gesichtszüge. und statt einem sympathisch lächelndem jüngling grinst einen eine wachsartige, glattgebügelte fratze an. ich kann nur sagen: männer, lasst das. wirklich. es bringt nix. nachdem ihr nicht wirklich mit make up schummeln könnt, wirds nämlich spätestens beim ersten treffen ziemlich peinlich.

3.) der partyhengst
es ist ja wirklich schön, wenn menschen gern unter leute gehen und das leben genießen. und ja, ein foto von einem mann mit einem bier auf einer berghütte oder einem guten glas wein am meer kann durchaus interessant wirken. nicht aber rotgeschwitzte, offensichtlich grölende und aus kübeln unter zuhilfenahme von 1m langen strohhalmen sangria saufende typen im urlaub. jungsrudel in bars. typen, unübersehbar volltrunken, die gogos ansabbern. um sowas spannend zu finden, muss ich nämlich selbst sturzbetrunken sein und das bin ich zumindest selten, wenn ich während ich auf den bus warte mit dem smartphone auf männerjagd gehe.

4.) der nachdenkliche
das absolute gegenteil des partyhengsts sind die, die sich im gegenlicht ablichten oder fotos hochladen, auf denen sie einsam auf einem felsen sitzen und visionär-nachdenkend in die ferne blicken. gepaart mit geistreichen zitaten a la „love what do, do what you love“ wollen sie so die frauenherzen erobern. ähm ja. meins nicht. und komischerweise auch keins von den frauen, die ich so kenne.

5.) der spiegelposer
toll! du hast einen spiegel! wau und du stehst mit socken davor und machst ein bild von dir! ich bin beeindruckt. sofern du dabei nicht aussiehst wie ein knuffeliger welpe, der mit verwuschelten haaren frisch aus dem bett gefallen ist, muss ich dir leider sagen, dass ich reflexartig nach links wische, um mich nicht ganz schlimm fremdschämen zu müssen. ein weiterer spannender nebeneffekt sind die unfreiwilligen einblicke in die wohnungen, die man da so bekommt. mit der tube „flutschi anal“ auf der kommode im hintergrund hat sich die frage nach sexuellen vorlieben wohl dann auch erübrigt.

6.) das hobbymodel
apropos posen: sich von einem mittelprächtigen fotografen im ebenso mittelprächtigen modelposen ablichten zu lassen und gleich die komplette serie hochzuladen ist nicht sexy. das ist peinlich. einfach. fürchterlich. peinlich.

7.) der autoliebhaber
gut, so ein oldtimer hat schon stil. und den herzurichten und am leben zu erhalten zeugt ja auch von einer gewissen liebe zum detail sowie geduld und ausdauer. weniger stil allerdings besitzen bilder mit auffrisiertem uralt-opel und burschen in heroischen gangster-vin diesel-posen. die faszination von autos aus den 90ern, die man um teures geld aufmotzt, wird sich mir wohl nie erschließen. herst, wie oft man für das geld ausm flieger springen könnte?!

8.) der superwitzige
tshirts mit unglaublich „lustigen“ sprüchen. schräge grimassen. bommelige hauben (=mützen). perücken. verkleidungen. nackte ärsche. über humor lässt sich ja bekanntermaßen streiten. aber wenn ich einen nackten arsch schon am ersten foto eines tinderprofils gesehen hab, regt sich irgendwie nicht grade der wunsch, selbigen in echt zu tätscheln und das, was da vorn dran angewachsen ist, kennenzulernen.

9.) der kuschler
egal, ob hunde, katzen, eidechsen, schlangen, kinder (die ja lt. beschreibung niiiiiieeee die eigenen sind, sondern immer neffen und nichten) oder frauen (die ja lt. beschreibung niiiiiieeee die ex sind, sondern immer die schwester/cousine/beste freundin) – mann zeigt sich von der schmusigen seite. die, die auf nummer sicher gehen wollen, noch facegetuned und auf einem felsen. mit einem bier in der hand und einem philosophischen zitat am profil. ich muss nicht mehr sagen, oder?

10.) der fitnessfreak
er liebt seinen körper. drum ist das größte bild auf seinem profil das seines sixpacks. auch die anderen bilder geizen nicht mit nackter, tätowierter haut, muskeln und schweiß. gern in badenhosen, auf die arme gestützt, schön den bizeps und den bauch angespannt. sorgfältig getrimmtes brusthaar. und dazwischen schummelt sich ein fitnessstudio-selfie. man könnte jetzt argumentieren, man weiß als frau zumindest, was man kriegt. umgekehrt – man weiß eben, was man kriegt. einen narziss, der sich von pulvern und proteinpancakes ernährt. und will man das?

11.) der reisende
die welt ist sein wohnzimmer. es gibt kaum ein land, in dem er noch nicht war. könnte man glauben, wenn sich man sein profil so anschaut. dieser weltenbummler ist offen, abenteuerlustig und liebt die abwechslung. betrachtet man die fotos allerdings genauer, fällt auf, dass der riesige ozean ein strand am mittelmeer ist, das thaicurry beim asialaden ums eck eingenommen wird und die kamele in der wüste eigentlich auch nur gelangweilt hinterm hotel in ägypten rumstehen. man kann theoretisch ja auch einfach zugeben, dass man lieber zu hause am balkon die sonne genießt. ist ja nix schlimmes. und so würde man man sich dann auch das peinliche erste date beim libanesen sparen, wo man minutenlang auf einem bissen herumkaut und sich von der freudenstrahlenden holden geschichten über reisen anhören muss, bei denen man sich nur denkt – nicht ums verrecken!

12.) und dann waren da noch…
der windelfetischist, der typ, der gerne frauenfüße in rotwein tunkt und dann ableckt und der, der mitsamt seiner lederjacke am körper in einem teich schwimmen geht. dicht gefolgt von dem knaben, der vier jägermeister zugleich trinkt und dem, dessen profilbild beim schnellen hinsehen eine nase vermuten lässt, am zweiten und dritten blick jedoch tatsächlich einen kunstvoll beleutchteter penis zeigt.

tinder ist also wie das wahre leben mit all seinen freaks. nur halt eben komprimierter, filterverschönerter und direkter (im realen leben quatscht mich gott sei dank eher selten wer mit „hey du geile, vö…n?“ an). auf drei seltsame typen folgt ein scharfes schnitzel, das man tatsächlich kennenlernen wollen würd. und eines hat die app ja wohl erreicht: der entertainmentfaktor beim warten auf den bus ist enorm gestiegen. wobei ich beim nächsten mal wieder glaub ich die analoge variante des kennenlernens ausprobiere, nämlich tatsächlich ganz ohne links-oder rechtswischen mit dem menschen neben mir zu reden….

8 Kommentare zu „tinder-typen

  1. An dir ist einfach eine Schriftstellerin verloren gegangen 😊😊

    Immer wieder ein Traum deine Einträge zu lesen und freu mich jetzt schon auf den nächsten 😄

    Lg

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  2. Lange ist es her, da trieb ich mich auf Datingseiten im Internet herum, anscheinend hat sich am Posing und Darstellen nicht viel geändert …
    Sieht man bei Tinder auch Damen?
    War immer lustig die Profile einiger Mitbewerberinnen durchzugehen – da gab es Räkeln auf Autos, posieren in Reizwäsche, ebenfalls nur gewisse Körperteile im Profilbild (Brust ersetzt Waschbrettbauch) und die verträumten nach dem Märchenprinz Sucher 🙂
    Jedenfalls gefällt auch mir Deine Art zu schreiben

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