die ist anfang 2019 nicht mehr ‚willst du mich heiraten‘ – nein. das wäre ja zu einfach. die frage, die sich gefühlt momentan jeder mindestens zweite stellt, ist: entfacht das freude?

es trug sich zu an einem recht winterlichen sonntag, als ich gerade vom weihnachtsurlaub aus dem sonnigen spanien zurückgekehrt war. ich war noch ein bisserl geschlaucht ob der 12 tage sprungurlaub mit vielen, vielen tapas und noch viel mehr bieren und sprüngen, und so war netflix das mittel der wahl, um liegend unterhalten zu werden.

die auswahl war groß. doch wie vielen tausend anderen, passierte es auch mir: ich wurde opfer von „tidying up with marie kondo“. in dem moment, als ich diese kachel mit der kleinen asiatin vor mir sah, schoss mir nämlich, dass ich da schon irgendwas auf -natürlich- instagram gesehen hatte. klick drauf. wundervolle bilder, schöne musik, verheißungsvoller plot. langer rede, kurzer sinn: ich war instantly angefixt.

da war dieses perfekte japanische, elfenartige wesen, das mit einer freude, die ich bestenfalls beim anblick eines perfekten steaks oder eines schönen nackten mannes neben mir im bett empfinde, himmelhochjauchzend, händeklatschend und hoch erregt ruft: ich liebe unordnung!

wahnsinn. ein blick auf meine nicht ausgepackten taschen mit dreckwäsche und die komischerweise noch nicht von allein in die küche zurückgekehrte kaffeetasse überzeugte mich, dass sie mich und meine wohnung wohl lieben würde. was ich anfangs noch als ‚ah schon wieder so ein selbstverbessererding‘ abgetan hatte, ließ mir einfach keine ruhe.

egal, ob mehrköpfige familie, frisch pensionierte pärchen, oder homo- und heterosexuelle mittdreissiger, ja sogar die kreative jungfamilie. sie alle wurden vom mittelstarken messie zum glücklich geordneten menschen. ok ich gebe zu, über das familien- und frauenbild, das diese serie da so vermittelt, kann man eventuell diskutieren. man bedenke aber, dass die von marie kondo geschriebenen bücher basierend auf japanischen prinzipien für den durchschnittlichen amerikaner und dessen idealvorstellung vom leben interpretiert wurden. und naja. was will man da schon erwarten…

ich glaub, es ging mir wie vielen anderen auch: angesichts der sich bietenden chaoszustände in den gezeigten haushalten fühlte ich mich richtiggehend normal. ja, gut, dieses permanente kondo-grinsen hat mir schon beim zuschaun schmerzen in der wangenmuskulatur bereitet. dennoch, nach einer weile war auch ich überzeugt, dass ein perfekt organisiertes zuhause mich zu einem sehr, sehr glücklichen menschen machen würde.auch ich wollte mit eleganten handgriffen tshirts falten. auch ich wollte mit schachteln und boxen alles regeln. auch ich wollte ein bisschen perfekter werden.

und so schritt ich also motiviert ans werk. nicht ganz der kondo-methode nach bereichen folgend, fing ich an, wild entschlossen mal dieses kastl, mal jene kommode auszumisten. bewaffnet mit riesigen schwarzen müllsäcken, die ich in den tiefen meines schranks fand (warum auch immer ich die gekauft hatte), entledigte ich mich nach und nach der dinge, die in mir bei näherer betrachtung eigentlich gar keine freude mehr entfachten.

und oh mein gott, derer fand ich viele. alles musste dran glauben. um nur ein paar dinge exemplarisch zu nennen: die jährlich von oma verschenkten deko-osterhasen und -engel, fahrkarten aus london 2014, meine stattliche sammlung von immer gleichen glücksbringern, abgelaufene gesichtscremen (heilig, wie widerlich kann sowas riechen!) oder schuhe, die ich das letzte und einzige mal ca. 2012 anhatte, weil sie nämlich nicht nur eigentlich furchtbar hässlich, sondern auch wahnsinnig unbequem waren (und nein, das sparkt wirklich no joy).

ganz besondere freude hat in mir mein vorratskammerl entfacht. nicht, weil ich den dosen und packerln so wundervolle gefühle entgegengebracht habe oder wir gemeinsam viel erlebt hatten. sondern weil ich mich etwa 2 stunden lang über mich und meinen drang zum hamstern von quinoa amüsieren konnte. ich geb schon zu, ich hab mich nicht bei jedem einzelnen packerl bohnen oder reis für die gemeinsame zeit bedankt. aber endlich mal wieder zu wissen, was genau in diesem oder jenen regal verstaut war, hat mich tatsächlich zu einem glücklicheren menschen gemacht.

doch das war nur die vorübung. der kleiderkasten war ja noch unberührt. was meine klamotten angeht, so hab ich -pragmatischer mutter und ihrer ratschläge seit kindertagen sei dank- ohnehin immer relativ brav ausgemistet. dachte ich zumindest. denn mit der vorgehensweise, einfach mal alles aufs bett zu schmeißen (und glaubt mir, das alleine ist schon der erste schock angesichts der berge an kleidung, die man dann vor sich hat), wurde ich eines besseren belehrt. nach der konmari-methode stellt man sich auch nicht die frage, wann man das gute stück das letztes mal anhatte und bewertet es danach. sondern man hört tatsächlich in sich rein, wie man sich damit fühlt. so wurde mir bewusst: selbst neue kleidungsstücke, zwei, drei mal getragen, entfachen nicht immer freude. weil sie unbequem sind. weil sie eine farbe haben, die zwar cool ist, in der ich allerdings gelinde gesagt gspieben ausschau. weil sie einfach ’nicht meins‘ sind, wie man so schön sagt. logischerweise trägt man sie dann auch nicht, und wenn, dann hat man dabei immer ein ungutes gefühl. warum dann also aufheben?

schnell füllten sich die säcke für die altkleidersammlung. und ähnlich wie die einzelnen persönlichkeiten in der doku, so fühlte auch ich ein wenig scham. kostet ja schließlich auch alles was. und ganz zu schweigen vom befeuern der menschenverachtenden kleidungsindustrie. als ich dann meinen neu sortierten schrank betrachtete, war ich erleichtert. nur noch die stücke übrig, in denen ich mich wirklich, wirklich wohl fühle. und jaaaaa, okaaaaay, ein paar der dinge, die nun mal einfach erinnerungsstücke sind und zwar an durchzechte nächte, schöne reisen, spezielle situationen oder liebe menschen. (was ich damals noch nicht wusste: ich würde zwei monate später umziehen und war dann heilfroh, nicht dann erst aussortieren zu müssen.)

apropos menschen. wenn man mal mit diesem marie kondo – ding begonnen hat, macht das auch vor seinen mitmenschen nicht halt. und das ist tatsächlich wie ich finde noch wichtiger, als ein perfekt sortierter, freude entfachender kasten. fällt es einem noch verhältnismässig leicht, sich von seinem miss piggy pyjama zu trennen, weil er eigentlich eh am hintern zwickt, so ist das mit den leuten in seinem umfeld bei weitem schwieriger. kleidungsstücke kann man ausziehen, alte tupperdosen ohne deckel schnell in den mistkübel stopfen. menschen, die mit einem durchs leben gehen, sind da schon ein anderes kapitel.

doch im grunde gilt auch da die frage aller fragen: does he/she spark joy? oder fühl ich mich eigentlich hochgradig unwohl, wenn der/die andere und ich im selben raum sind? verdreh ich die augen, wenn ich einen anruf bekomme? fühl ich mich vielleicht sogar richtig schlecht, aus welchem grund auch immer? freude entfachen sieht anders aus. natürlich, menschen, jobs oder lebenssituationen kann man nicht einfach nachkaufen, wenn es doch ein fehler war, sie aus seinem leben zu entsorgen. und ja, nicht immer ist alles schwarz oder weiß ohne berücksichtigung der umstände zu betrachten. aber wie oft hängen wir eigentlich an jemandem, bloß weil wir hoffen, dass es mal wieder passt oder weil man von irgendwann mal gute erinnerungen hat? oder vielleicht einfach aus bequemlichkeit?

und so hab ich angefangen, auch in meinem umfeld ein wenig konmari zu betreiben. ging irgendwie automatisch und einfacher als gedacht. war auch weniger staubig, als kiloweise getreide in packerln zu durchforsten. und hat mich tatsächlich zu einem glücklicheren menschen gemacht.

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